Eingebettet in grüne Landschaften: Auch innerhalb des Chemieparks soll es grüner werden - mit grünem Wasserstoff als Element der Zukunft.
Chemiepark Marl
31. Juli 2025

In Zukunft grün?

Der Chemiepark Marl steht vor großen Aufgaben. Mittendrin: Grüner Wasserstoff als Treiber der Transformation eines der größten Chemie-Standorte Deutschlands. Von AEM und Rheticus, über Greenlyte bis Phoenix wird in Marl laufend an einer grünen Zukunft gearbeitet, die dem Standort und seinen insgesamt rund 10.000 Beschäftigten neue Perspektiven bieten soll. Wie das aussehen kann, darum geht es im Interview mit Standortleiter Thomas Basten und in der neuen Ausgabe des Standortmagazins inform. 

 

Sie sind im Juli ein Jahr Standortleiter des Chemieparks und Sie gestalten einen großen Umbruch. Wie haben Sie sich eingefunden? 

Ich habe mich gut eingefunden und wohne mittlerweile auch in Marl. Es fühlt sich auch ein wenig so an wie „nach Hause kommen“, denn ich bin in meinem Arbeitsleben jetzt das dritte Mal hier. Das ist sehr schön, ich kenne mich hier aus, kenne die Menschen und weiß, wie Marl tickt. Das hilft auch sehr bei den kommenden Aufgaben.

Wie sehen diese Aufgaben aus?

Im Moment geht es vor allem darum, den Chemiepark neu aufzustellen, zukunftssicher zu machen und weiter voranzubringen. Wir befinden uns aktuell allerdings in wirtschaftlich besonders herausfordernden Zeiten. Die schwache Konjunktur gepaart mit hohen Energiepreisen ist eine große Herausforderung. 

Die Neuaufstellung gestaltet sich so, dass Evonik für die Zukunft den eigenständigen Betrieb des Infrastrukturgeschäfts des Chemieparks vorsieht. Welche Schritte sind hier noch zu gehen und was sind ihre Erwartungen?

Richtig, bis Anfang 2026 soll hier eine neues Unternehmen für die Infrastruktur entstehen, das eigenständig am Standort operiert und voll ausgestattet mit eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeiten kann. Das neue Unternehmen wird sich dann voraussichtlich aus circa 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammensetzen. Rund 2.700 davon aus der jetzigen BL Marl. Im Moment prüfen wir wie wir am Standort auf bestehende Strukturen aufbauen und neue schaffen können. Wie das genau aussehen wird, zeigt sich in den kommenden Monaten. 

Aber es gibt ja sicherlich auch bereits jetzt Ideen und Vorstellungen, in welche Richtung sich der Chemiepark entwickeln wird?

Natürlich gibt es die. Wir sehen, dass die Chemieindustrie sich stark verändert, durch europäische Regulatorik und den Green Deal, aber auch durch geopolitische Veränderungen und Krisen. Für uns geht es darum, auch für die langfristige Zukunft in Marl einen Plan auszuarbeiten, der aufzeigt, wie wir und die einzelnen Gesellschaften hier am Standort zusammenarbeiten und wie wir diesen auch weiterhin möglichst optimale Rahmenbedingungen bieten können, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.  

Dabei ist die grüne Transformation der Chemischen Industrie eine große Aufgabe – nicht nur für Marl, sondern für die ganze Welt. Der Chemiepark ist dazu schon erste Schritte gegangen, unter anderem mit der Ansiedlung von Greenlyte, die im Chemiepark eine Anlage zur Produktion von eMethanol aus CO2 und grünem Wasserstoff baut. Wie sehen die weiteren Pläne aus? 

Richtig, mit Greenlyte sind wir hinsichtlich der Produktionen in Marl einen wichtigen Schritt gegangen. Und wir haben auch bereits weitere Anfragen von Unternehmen in diese Richtung erhalten. Die Idee ist dabei immer, aus CO2 und Wasserstoff Kohlenstoffmoleküle für unsere Produktionsanlagen herzustellen, um langfristig von der bisherigen Rohöl-Basis wegzukommen. Das ist aber nur ein Teilelement für die Weiterentwicklung unseres Standorts. Mit dem deutschen Pipeline-Verbund für grünen Wasserstoff sitzen wir als Standort wie die Spinne im Netz – wir sind in alle Richtungen gut angebunden. Außerdem baut Evonik im Chemiepark eine Pilotanlage für die Herstellung der Anionen-Austausch-Membran DURAION®, die das Potenzial hat, als Bestandteil der AEM-Wasserelektrolyse die kostengünstige Produktion von grünem Wasserstoff zu ermöglichen. 

Das sind die aktuellen Projekte. Dann gibt es im Chemiepark ja auch bestehende Projekte...

Ja, genau. Wir haben mit Rheticus ein spannendes Forschungsprojekt im Chemiepark, bei dem wir Bakterien in einem Bioreaktor mit grünem Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid füttern, um zum einen das klimaschädliche CO2 wiederzuverwenden und um zum anderen daraus wertvolle Chemikalien herzustellen, die wir im Alltag benutzen. Es gibt derzeit recht positive Signale dahingehend, dass wir hier zukünftig von der Landesregierung unterstützt werden, um die Anlage auch in einem größeren Maßstab zu realisieren. Außerdem sind unsere Kraftwerksblöcke „Wasserstoff-ready“. Das zahlt zusätzlich ein in die Energietransformation - und hier sind wir gut aufgestellt. Wir haben 2024 das letzte Kohlekraftwerk abgefahren und sind komplett auf Gas- und Dampfturbinenkraftwerke umgestiegen. Hier werden weitere Bausteine wichtig werden wie zum Beispiel Elektroboiler, um in Zeiten sehr niedriger oder negativer Strompreise den Dampf eklektisch erzeugen zu können oder auch Wärmepumpen, um auf diesem Weg Dampf zu produzieren. 

Mit einem Blick in die Welt: Inwieweit lassen sich diese Pläne realisieren? Wie erleben Sie die Situation im Einzelnen? 

Es ist klar, dass wir dabei immer auf das große Bild schauen müssen. Und die derzeitigen Rahmenbedingungen sind alles andere als optimal. Die ganz große Frage, die hinter allem steht, lautet: Wie sieht die Zukunft der Chemischen Industrie in der Welt, in Europa und in Deutschland genau aus? Wenn die Strom- und Gaspreise so bleiben wie aktuell und gleichzeitig die CO2-Besteuerung weiter zunimmt und auch die EU mehr und mehr Anforderungen stellt – dann wird es für die Industrie schwierig werden. Wir sehen auch in unserem Umfeld, dass Unternehmen der Branche sich derzeit schwertun, weiter wirtschaftlich zu produzieren. Es ist aber nicht so, als könnten wir alle nichts dagegen tun, im Gegenteil, wir brauchen und wir planen ein tragfähiges Gesamtkonzept, um den Chemiepark zukunftssicher aufzustellen. 

Unter „zukunftssicher“ lässt sich Vieles zusammenfassen. Wie blicken Sie auf die kommende Zeit? Die Regierung stellt Investitionen in Aussicht. Spüren Sie schon einen Aufbruch?

Wir sind bei den Zukunftsthemen wie grünem Wasserstoff, Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz ganz vorne dabei, denn wir liegen hier zentral in NRW, mitten im Ruhrgebiet, haben eine Nähe zur Küste, zum Offshore- Windstrom. Wir haben eine vorhandene Wasserstoff-Infrastruktur, haben erst kürzlich unsere bisherige Erdgas-Pipeline in den Norden Richtung Legden zu einer Wasserstoff-Pipeline umgewidmet (S. 5). Das gibt uns zukünftig die Möglichkeit, große Mengen grünen Wasserstoff zur Verfügung zu haben. Grauen Wasserstoff stellen wir ja schon lange her. Und wenn jetzt noch das Investitionspaket der Bundesregierung an den richtigen Stellen ansetzt, bin ich zuversichtlich, dass wir der Beschreibung „zukunftssicher“ auch eine tiefere Bedeutung verleihen können. So können wir in Zukunft einen konjunkturellen Aufschwung erleben, der uns weitere Chancen bietet.

Wie fällt also ihr Fazit aus? Wird es jetzt grün?

Ja, aber nicht so schnell und absolut wie es politisch gewünscht ist. Wir brauchen insgesamt mehr Augenmaß und Wirtschaftlichkeit. Wir stehen in einem globalen Wettbewerb. Lösungen, die nicht wirtschaftlich sind, werden sich am Ende nicht durchsetzen. Wenn man es trotzdem erzwingt, wird das zu reinen Verlagerungseffekten führen und wir haben der Umwelt keinen Dienst getan.

 

Dieses Interview ist auch in der inform erschienen (S. 2-3).

Außerdem in der neuen Ausgabe: Eine neue 140-Meter-Brücke am Rhein-Herne-Kanal, die von Evonik-Experten aus Marl vor der Zeit an ihrem Bestimmungsort installiert werden konnte, der erfolgreiche Rückbau der historischen, weil ersten Produktionsanlage des Standortes (1940) und kleinere Meldungen rund um den Chemiepark Marl. 

Die inform ist als gedruckte Ausgabe an die Nachbarschaft und im Chemiepark verteilt worden, hier können Sie die Ausgabe auch digital als PDF lesen.


Viel Spaß wünscht die Chemiepark-Kommunikation.